Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit einem Cunard-Schiff, Herr Thiel?
„Das war ziemlich beeindruckend: ich hatte im Herbst 1999 meine erste Journalistengruppe auf einer Pressereise zu begleiten, und wir wurden vom Flughafen zum Hafen gebracht. Wir kamen über einen Hügel, hatten auf einmal freien Blick in die Bucht, und da lag die ‚Queen Elizabeth 2‘. Geradezu majestätisch mit dem charakteristischen roten Schornstein und dieser eleganten Linie, mit dem langgestreckten Bug und dem perfekten runden Heck. Ein großartiges Schiff, das ich für eines der Schönsten halte, das jemals gebaut worden ist.“
Das Britannia Restaurant auf der “Queen Elizabeth”. Foto: Cunard
Seitdem sind Sie nach eigenen Aussagen mehr als 30 Mal zu Gast auf den „Queens“ gewesen. Worin liegt für Sie der besondere Reiz an diesen Schiffen?
„Mittlerweile sind es schon mehr als 50 Mal, wenn man nicht nur Reisen, sondern auch die Anläufe in Hamburg, Kiel, Bremerhaven oder Warnemünde zählt. Außerdem hatte ich die Ehre, die Taufe aller drei aktuellen Queens und dabei auch die britische Königin aus der Nähe zu erleben. Mich faszinieren die Geschichte und die gelebte Tradition dieser Reederei, die dieses Jahr 175 Jahre alt wird. Dieses Flair und diesen Stil an Bord findet man bei keiner anderen Reederei, so nobel und luxuriös deren Schiffe auch sein mögen. Und wenn man sich die ‚Queen Mary 2‘ anschaut – es hat ja Gründe, warum dies das Lieblingsschiff der Hamburger ist und immer noch so umjubelt wird. 250.000 Menschen am 10. Jahrestag, da war das Schiff zum 44. Mal in Hamburg – das muss man sich mal vorstellen, das erreichen andere Reedereien noch nicht mal mit Millionenaufwand bei Schiffstaufen. Das ist halt ein Schiff, das auch danach aussieht, in der Tradition der großen Liner im Liniendienst über den Atlantik und keine Bettenburg oder gar Fun Ship.“
Verraten Sie uns Ihren Lieblingsplatz an Bord?
„Auf der ‚Queen Mary 2‘ bin ich gerne in der Bibliothek, weil man dort den gleichen Blick hat wie von der Brücke, nach vorne auf das endlos weite Wasser bei einer Transatlantikreise. Leider wird es dort nach zwei, drei Tagen ziemlich voll, weil das andere natürlich auch spitz kriegen. Darum verrate ich den anderen Platz auch nicht, denn den entdeckt wirklich kaum ein Passagier. Ich gehe aber auch gerne zum Afternoon Tea in den Queens Room, wo Kellner in weißen Handschuhen Gebäck, Kuchen, Scones und Sandwiches servieren – das muss man auf einer Cunard-Queen unbedingt erlebt haben.“
Geschichten und Legenden werden über viele Schiffe erzählt – erst recht über die „Queens“. Welche Geschichte mögen Sie besonders?
„Das ist eine Anekdote, die den legendären White Star Service, die Philosophie der Reederei und die Einstellung der Crew sehr gut verdeutlicht. Es gibt eine steinreiche Amerikanerin, die bereits oft mit Cunard gefahren ist und immer zwei Suiten bucht: eine für sich, die andere für ihre zahlreichen Kuscheltiere! Normalerweise lässt sich diese wohl etwas exzentrische Dame die Mahlzeiten auf der Kabine servieren und nutzt das Queens Grill Restaurant, das den Gästen der teuersten Suiten vorbehalten ist, gar nicht. Eines Tages aber nahm sie nun eine Reservierung vor – für einen großen Tisch, nur für sie und all ihre Kuscheltiere. Der Maître reagierte sofort auf diesen Wunsch: ‚Madame, wir reservieren Ihnen gerne unseren besten Tisch. Aber bedenken Sie bitte, wie scheu Ihre Lieblinge sind. Die sind doch gar keine fremden Menschen gewohnt und könnten völlig verschreckt werden. Was halten Sie davon, wenn wir auf Ihrer Suite festlich eindecken und unsere Kellner sich nur um Sie und Ihre Kuscheltiere kümmern?‘ – Die Dame ließ sich überzeugen, und mit riesigem Aufwand – ein großer Tisch wurde aufgebaut und festlich eingedeckt, Stühle, Gaskocher, Lebensmittel und Utensilien dorthin gebracht – wurde in der Suite ein Festmahl bereitet. Zwei Köche, drei Kellner und ein Getränkekellner wurden nur dafür abgestellt. Die Lady war äußerst zufrieden, und im Restaurant gab es kein Aufsehen. Ich finde, eleganter kann man das kaum lösen.“
Hamburg ist an den Einlauf von Kreuzfahrtschiffen wahrlich gewohnt. Doch wenn die „Queen Mary 2“ kommt, geraten die eher nüchternen Hanseaten immer wieder aufs Neue schier aus dem Häuschen. Woran liegt Ihrer Meinung nach dieser Hype begründet?
„Da hat sicherlich jeder von den Zehn- oder gar Hunderttausenden, die da stehen und gestanden haben, seinen ganz eigenen, persönlichen Grund. Ich glaube, da werden viele Träume und Sehnsüchte geweckt, dieses „Einmal im Leben-Gefühl“, mit diesem Schiff über den Atlantik zu fahren. Beim ersten Mal 2004 wollten 400.000 Menschen das damals größte Schiff der Welt sehen. 2005 war pure Hysterie, 500.000 Menschen, die gefeiert haben, vielleicht nicht nur das Schiff, sondern auch sich selbst, das Leben, was auch immer – man musste damals einfach dabei sein. Und dann ist das eine Tradition geworden, man geht ‚Queen Mary‘ empfangen und verabschieden, so wie viele Hamburger und Touristen immer wieder zum Hafen und an die Elbe zum Schiffe schauen gehen.“
In diesem Jahr feiert die Cunard Line ihren 175. Geburtstag (siehe auch WELCOME ABOARD 2015, Seite 104). Haben Sie in diesem Zusammenhang einen besonderen Tipp für unsere Leser?
„Zum einen gibt es für Interessierte unter diesem Link www.cunard.co.uk/cruise-types/anniversary-cruises-2015/ auf der Cunard Webseite oder bei Youtube unter http://youtu.be/BUwpEBPn5_0 per Video eine tolle Zeitreise durch die Geschichte, zum anderen erscheint im Juni im Köhler Verlag für 10 Euro eine deutsche Festschrift zum Jubiläum mit vielen historischen Details und Fotos. Und natürlich sollte man den 50. Anlauf der ‚Queen Mary 2‘ in Hamburg im Oktober nicht versäumen. Da wird wieder einiges los sein.“