skandinavische Nachbarland zu besuchen.
Im Sommer ist es besonders schön an Annies Kiosk, denn der Blick schweift dann zur Großen und zur Kleinen Ochseninsel. Viele Gäste reisen auch mit dem eigenen Boot an, um bei Annie eine Wurst im Brötchen zu genießen – möglich macht das ein naher Steg, an dem bis vor kurzem auch die kleine Fähre zur Großen Ochseninsel ablegte.
Berühmtester Hotdog-Stand Süddänemarks
Der Verkaufsstand ist überregional bekannt für seine dänischen Hot Dogs, von denen hier täglich rund 1.000 Stück verkauft werden. Er gilt als „berühmtester Hotdog-Stand Süddänemarks“ und stand mehrfach im Fokus der Berichterstattung von Fernsehen und überregionaler Presse. Wegen ihrer Popularität nennen die Einheimischen den kleinen Ort Sønderhav auch Hotdoghav. Die Offiziersanwärter der Marineschule Mürwik, die früher einmal im Jahr mit ihren Segelbooten vom Bootshafen der Marineschule ein „Hot-Dog-Race“ zum Kiosk veranstalteten, gaben ihrem Segelziel den Spitznamen Hot-Dog-Havn.
Von Deutschland aus kommend, ist der Hot-Dog-Stand am linken Straßenrand nicht zu übersehen, denn der dazu gehörende Parkplatz ist zumeist – auch außerhalb der Hochsaison – absolut überfüllt mit Pkws und Motorrädern. Wer Glück hat und noch einen Stellplatz findet, der kann sich bald in die Menschenschlange vor dem kleinen weißen Gebäude mit seiner roten Werbung am Dach-Überstand einreihen. Es ist wirklich unglaublich, wie viele Menschen hier ein Würstchen im Brötchen essen wollten, wobei der Verkaufstresen des Kiosks zweigeteilt ist: Auf der einen Seite gibt es nur und ausschließlich Hot Dogs, auf der anderen auch Getränke, Eiscreme und Pommes Frites. Der klassische dänische Hot-Dog besteht aus Brötchen, Wurst, Zwiebeln und Soßen. Verzehrt werden kann es an einem der Holztische rechts neben dem Kiosk.
Es hat sich allerdings etwas verändert bei diesem wohl bekanntesten Hot-Dog-Stand der Welt, denn die Kiosk-Namensgeberin Annie, die schon seit 1966 hier ihre Ware feilbot, ist inzwischen verstorben. Die Hot Dogs schmecken trotzdem.
Perle der Förde
Für all diejenigen, denen es bei Annie zu voll ist, gibt es eine Alternative. Denn an der gleichen Straße, nur etwa 100 Meter weiter, ist seit dem Jahr 2014 ein neuer Imbisswagen namens „Fjordens Perle“ (Perle der Förde) zu finden. Er wird von den zwei ehemaligen Studenten Simon Skjøth Kolmos sowie Søren Jessen betrieben. Letzterer hat bereits als Aushilfskraft bei Annie Bøgild Praxis in der Imbissbranche gesammelt und macht ihr nun unter anderem mit selbstgemachten Burger-Frikadellen Konkurrenz. Natürlich nützt dem Duo der Bekanntheitsgrad von Annies Kiosk – und bei ihm muss kein Kunde so lange Schlange stehen wie beim Original.
„Wo ein Hot-Dog-Stand guten Umsatz macht, ist auch Platz für einen zweiten“, erklärt Søren seine damalige Idee. Und er hat recht, wobei die beiden ehemaligen Studenten übrigens genau die gleichen Preise für ihre Würstchen verlangen wie Annies Kiosk. Ihr großer Vorteil: Auf dem Parkplatz vor ihrem Wagen ist zumeist mehr Platz, zudem ist die Wartezeit wesentlich geringer. Und: Auch hier mundet die Wurst. Vielleicht sogar besser als beim Original. Aber das ist Geschmackssache. „Alles frische Zutaten“, erklärt Søren das Erfolgsrezept, „die Brötchen vom lokalen Becker, die Würstchen vom lokalen Fleischer, die Soßen selbst hergestellt und die Zwiebeln ganz frisch geschnitten.“ Klingt überzeugend.
Die Popularität dieser beiden Hot-Dog-Stände ist amüsant. So richtig erklären kann wohl niemand, wie es dazu kam oder speziell, warum Annies Kiosk zu einer ganz besonderen Anlaufstelle für Biker geworden ist. Im Sommer wurden schon über 1.000 Motorräder an einem Tag gezählt, die vor diesem Stand eine Pause einlegten. Wir wollen mal ehrlich sein: So ein Hot Dog ist nun wirklich nichts Aufregendes, es gibt durchaus geschmackvollere Snacks. Und dennoch, wer in Sønderhav oder Umgebung ist, der fühlt sich nahezu gezwungen, Annies Kiosk zu besuchen und eine Wurst zu essen.
Die Hot Dogs finden also weiterhin reißenden Absatz, obwohl Annie nicht mehr unter uns weilt. Sie hatte sich zu Lebzeiten gewünscht, dass der Betrieb des Kiosks auch nach ihrem Tod normal weiterläuft. Diesen Wunsch erfüllten ihre Mitarbeiter umgehend. Eine dänische Facebook-Gruppe mit über 840 Mitgliedern begann, sich für den Erhalt des kleinen Hotdog-Unternehmens einzusetzen, wobei auch die rechtliche Lage völlig unsicher war, denn der Mietvertrag mit der Kommune Apenrade war mit Annies Tod ausgelaufen und die Verwaltung hatte schon erklärt, ihn wegen des zum Teil chaotischen Verkehrsaufkommens nicht verlängern zu wollen. Inzwischen aber ist ein neuer Pächter gefunden: Jens Enemark, Betreiber vom Golfplatz und Hotelrestaurant „Benniksgaard“ bei Gravenstein sowie Gründer der Motorsportrennstrecke Padborg Park, übernahm die Pacht am 1. Juli 2017. Geplant ist nach Absprache mit der Küstenbehörde eine kleine Erweiterung des Kiosks, um somit Arbeitsvorschriften erfüllen zu können. Ansonsten garantiert der neue Pächter, den Betrieb in gleicher Weise fortzuführen und den Namen Annies Kiosk beizubehalten.
Schräge Tradition
Das gefällt, denn eine derartige Tradition – so schräg sie auch wirken mag – sollte fortgesetzt werden. Es wäre einfach zu schade, wenn es einstmals durch Sønderhav ginge und da wäre kein Hot-Dog-Stand mehr. Wer überhaupt würde Sønderhav ohne Annies Kiosk kennen? Die Stadtväter taten gut daran, für die Beibehaltung des Kiosk zu sorgen. Und ganz ehrlich: Der Verkehr auf dem Fjordensvej ist wirklich manchmal chaotisch. Aber die meisten Menschen, die hierher fahren, wissen das. Und sie tragen ja selbst dazu bei – weil sie zu Annie wollen. Und auch der Konkurrenz-Kiosk hat eigentlich nur Vorteile, denn so bleiben die „heissen Hunde“ bezahlbar.
Text & Fotos: Dirk Kröger