Dezember 21, 2013

Wein vom Meeresgrund: Crusoes Schatz

Dezember 21, 2013

Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Weinkeller kam Borja Saracho als er Berichte über uralte Flaschen las, die man in den Wracks längst versunkener Schiffe gefunden hatte: Vor der schwedischen Küste entdeckten Taucher hundert Jahre alte Weinflaschen im Bug der SS Astrid, die hier 1916 nach einem Torpedoangriff unterging. Ebenfalls in der Ostsee wurde der vermutlich älteste Champagner der Welt aus einem versunkenen Segelschiff geborgen – ein Veuve Clicquot aus dem Jahr 1780. Auf einer Versteigerung in Helsinki brachte allein eine Flasche von insgesamt 70 „Wrack-Weinen“ 30 000 Euro ein. Das Erstaunliche an diesen Funden: Nahezu alle Flaschen waren durchaus noch trinkbar. In der Dunkelheit des Meeres, unter hohem Druck und bei Kühlschranktemperaturen überdauerten Konsistenz, Bouquet und Geschmack. Der Meeresforscher Jacques Cousteau rühmte sich gar, in einem vor Jahrhunderten gesunkenen griechischen Handelsschiff eine Amphore besten Weines gefunden – und selbst davon getrunken – zu haben. Die übereinstimmende Meinung vieler Experten: Wein findet unter dem Meeresspiegel ideale Bedingungen für einen perfekten Reifungsprozess und eine ungewöhnlich lange Lagerfähigkeit.
 
Nun also hat die – meist auf Unglücken und Katastrophen beruhende – außergewöhnliche Qualität von „Wrack-Weinen“ System. Zusammen mit seinem Freund Javier Ortuondo, einem erfahrenen Meeresbiologen, gründete Borja Saracho die Weinkelterei „Bajoelagua“ und begann mit der Produktion des weltweit ersten Unterwasserweins. Die Anbaugebiete des Crusoe liegen in Rioja und Ribera del Duro. Die ausgesuchten Trauben (in erster Linie Tempranillo) gedeihen an 80 Jahre alten Rebstöcken, werden von Hand geerntet und zunächst sechs Monate in Eichenfässern aus bester amerikanischer und französischer Eiche eingelagert.
 
Nach der Flaschenabfüllung fahren Borja Saracho und Javier Ortuondo die Ladung mit ihrem eigenen Kutter, der „Crusoe Treasure“, vor der kantabrischen Küste auf See hinaus. Dort legen die beiden Taucheranzug und Sauerstoffflaschen an und bringen den Wein eigenhändig auf 20 Meter Meerestiefe. Hier stehen die Lagerbehälter der Unterwasser-Bodega „Bajoelagua“: In den käfigartigen Modulen, werden die eingelagerten Flaschen ständig von Meerwasser umspült. Nebeneffekt des dafür künstlich geschaffenen Betonriffs: Mehr als 150 Arten von Meereslebewesen konnten sich an dieser Stelle neu ansiedeln – darunter Fische, Krebse und Meerespflanzen, die bereits als ausgestorben galten.
 
Die Unterwasserreife beträgt ein ganzes Jahr. Während der Herbst- und Winterstürme überwachen Sensoren und Kameras die Sicherheit der wertvollen Weine. Denn an diesem Küstenabschnitt sind Sturmfluten mit haushohen Wellen und enormen Kräften auch in der Tiefe keine Seltenheit. Bei ruhiger See suchen Spezialtaucher die Lagerstätten regelmäßig auf. Begleitet werden sie dabei von der Meeresbiologin Anna Riera und dem Fotografen Enrique Talledo. Auch der Oberste Rat für die wissenschaftliche Forschung in Spanien (CSIC) ließ es sich nicht nehmen, vor Ort eigene Tauchgänge durchzuführen und sich ein Bild von Zustand und Entwicklung des Unterwasserweins zu machen.
 
Immer wieder werden Wasserproben gezogen und die Einflüsse auf dem Meeresgrund genauestens protokolliert: Gezeiten, Temperatur, Druck, Erdanziehungskraft. All diese und zahlreiche weitere Faktoren führen hier unten am Riff zu vollkommen anderen chemischen und sensorischen Prozessen. Nach Überzeugung des angesehenen Önologen Antonio Palacios Garcia von der Universität La Rioja verfügt Unterwasserwein über einen höheren Sauerstoffanteil und kräftigere Farbpigmente als im  Keller gereifte Tropfen. Außerdem fällt ein besonders harmonischer Tannin-Gehalt auf. Vorteile, die Weinkenner zu schätzen wissen.
 
Bajoelagua“ ist somit nicht nur Weinproduzent – sondern zugleich auch die erste wissenschaftliche Einrichtung der Welt, die der Frage nachgeht, wie sich der Einfluss des Meeres in der Praxis auf den Reifungsprozess von Wein auswirkt. Die Untersuchungen werden zusammen mit den Universtäten von Bilbao und Alicante durchgeführt. Das Bodega-Labor ist mittlerweile beim zweiten Jahrgang angekommen und konnte in dieser Zeit nicht nur  wertvolle Erfahrungen sammeln, sondern auch Erfolge präsentieren, die Fachwelt wie Weinkenner in Erstaunen versetzen.
 
Die ersten „Crusoes Treasure“ Jahrgänge 2010 und 2011 wurden nach ausgiebiger Meereslagerung im Dezember 2012 („Classic“) und September 2013 („Passion“) unter Leitung von Bodega-CEO Saracho in mehreren Tauchgängen gehoben, mithilfe einer Seilwinde auf den Kutter „Crusoe Treasure“ verfrachtet und schließlich an Land gebracht. Beide Weine sind streng limitiert: Der „Passion“ wurde mit 5560 nummerierten Flaschen aufgelegt, vom „Classic“ kamen lediglich 3200 Flaschen in den Handel. Auch das Importhaus DiBu Power GmbH aus Dinslaken, Spezialist für Getränke-Innovationen aus aller Welt, wurde auf diese seltenen Jahrgänge aus Spanien aufmerksam und übernahm als Generalimporteur exklusiv die Vermarktung für Deutschland und die Schweiz.
 
Beide Weine zeichnen sich durch eine erstaunliche geschmackliche Präsenz und intensive Aromen aus. Der „Classic“ ist kraftvoll und fruchtig – mit Noten von schwarzer Lakritze, Trüffel, Rosmarin, Minze, Tabak, Nüssen und einem Hauch von Nelke. Die Holzaromen erscheinen als Kokosnuss, Zimtstange und Vanille. Der „Passion“ zeigt am Gaumen ebenfalls einen kräftigen, rassigen und fruchtigen Auftritt,  mit Aromen von roten Beeren und süßer Vanille. Die ungewöhnlich hohe Farbintensität changiert von kardinalroten bis hin zu kirschfarbenen Nuancen. Das Bouquet besticht durch frische Früchte mit der Assoziation an Schokolade. Dazu reife, rote Beeren, ein Hauch von Lakritze und Röstuntertöne von Zimt. Am Schluss: ein dynamischer Abgang, der Erinnerungen an trockenes Seegras und Herbstlaub weckt. Kein Zweifel, wer diese Weine entkorkt, dem eröffnet sich zugleich eine andere Welt des Weins …
 
Fazit: Die Herstellung von Unterwasserwein ist ein aufwändiger Prozess, der viel Sorgfalt und wissenschaftliches Know-how erfordert. Zwar hat die Idee mittlerweile auch andernorts erste Nachahmer gefunden.  Doch der „Crusoe Treasure“ gilt nach wie vor als einziger kommerzialisierter und zugleich zertifizierter Unterwasserwein der Welt. Angesichts seiner außergewöhnlichen Qualität rechtfertigen sich Preise um die 250 Euro pro Flasche – wobei nicht nur Sammler auf ihre Kosten kommen. Auch zahlreiche Auszeichnungen – darunter Gold- und Silbermedaillen in Barcelona und  Bilbao sowie „Platz 2“ auf der Innovation Food Messe Sial d’Or in Paris – lassen keinen Zweifel daran, dass die Unterwasser-Kellermeister von Plentzia mit ihrer Idee richtig liegen.

                                                                                                                                                                                                                                                                     Uwe Herzog
 
Mehr Infos zum Unterwasserwein: www.underwaterwine.com, Generalimporteur für Deutschland und Schweiz: www.dibupower.de

Fotos: Bajoelagua Factory, Enrique Talledo, DiBu Power GmbH 

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