Die „Genussradler“ erkennt man schon daran, dass sie „in zivil“ mit ihrem Drahtesel unterwegs sind und außerdem stets in der Gruppe. „An die Räder“, ruft die Kreuzfahrtleiterin und radelt vorweg, immer an der Donau entlang, der nächsten Sehenswürdigkeit entgegen, wo für die Genusstruppe eine Führung, eine Likörprobe oder andere Schmankerl warten. Das Flussschiff wartet entweder oder fährt weiter und nimmt seine Passagiere einige Kilometer entfernt wieder auf. Spätestens beim Abendessen im Bordrestaurant sind dann alle wieder vereint und berichten sich gegenseitig von den Abenteuern des Tages.
Die kleine Fähre über die Donau nimmt auch Radfahrer mit.
Auf dem Donauradweg
Verschiedene Veranstalter bieten die sportliche Flusskreuzfahrt von Passau über Schlögen, Linz, Grein, Melk, Krems, Wien und zurück nach Passau an. „Herrlich, die Landschaft so richtig aktiv mit dem Rad zu erleben und sich um nichts kümmern zu müssen. Das Hotelzimmer fährt ja quasi mit!“, freut sich eine Passagierin, die zu den Genussradlern zählt, während ihr Mann die Aktivtour gebucht hat. Bis zu 70 Kilometer nehmen die Aktiven bei ihren Tagestouren unter die Räder. Das hört sich allerdings schlimmer an, als es ist. Denn tatsächlich ist der Donauradweg meist so platt wie der Starnberger See und lässt sich auch mit den sieben- oder 21-gängigen Leihrädern bestens bewältigen. Außerdem haben die Aktivradler den ganzen Tag Zeit für ihre Tour, fahren ihr eigenes Tempo und machen Pause, wo es ihnen gefällt. In lauschigen Biergärten, gemütlichen Beisl direkt an der Donau werden die verbrauchten Kalorien schnell wieder aufgefüllt, bevor es auf die nächste Etappe geht. Wirklich kaputt kommt abends so gut wie niemand am Schiff an. Im Glanz der „erlegten“ Kilometerzahl sonnt man sich aber trotzdem gerne.
Wer mehr Spaß hat – die sportlichen Aktiv-Radler oder die geselligen Genussradler? – Schwer zu sagen. Fest steht: Die Genuss-Truppe zieht morgens fröhlich schwatzend los, kommt ein paar Stunden später mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck zurück und macht es sich nach dem Mittagessen im Liegestuhl auf dem Sonnendeck ziemlich gemütlich. So lässt sich dem Liebsten, der mit seinem Rad am späten Nachmittag verschwitzt am Anleger wartet, lässig – und völlig ausgeruht – zuwinken.
Klöster & Klatschmohn
Neue Freundschaften werden gleich am ersten Radeltag geschlossen. Da lässt sich die Genuss-Truppe mit einem kleinen Floß über die Donau setzen, rollt durch schattige Wälder und bunte Blumenwiesen, vorbei an Klatschmohn und Margeriten von Schlögen in Richtung Kloster Engelzell. Im einzigen Trappistenkloster Österreichs wandeln die Urlauber durch den Kreuzgang, probieren den sündhaft guten Klosterlikör und machen sich anschließend auf den Rückweg zum Schiff. Ein weiteres berühmtes Kloster erwartet die Kreuzfahrer ein paar Tage später: Das Benediktinerstift Melk thront hoch über der Donau und gilt als einer der schönsten Prachtbauten Österreichs. Das zum UNESCO-Welterbe zählende Kloster ist das Wahrzeichen der vielbesungenen Wachau.
Das Benediktinerstift Melk.
Man erzählt, das Stift habe 365 Fenster. Also könnte jeden Tag eines geputzt werden und innerhalb eines Jahres wären alle einmal gereinigt. Tatsächlich hat der Barockbau aber 1.365 Fenster, die Licht in insgesamt 497 Räume bringen. Einfach sensationell: die große Bibliothek mit ihren 100.000 Büchern, die Umberto Eco als eine Inspiration zu seinem Weltbesteller „Der Name der Rose“ diente.
Weinprobe in der Wachau
Die Fahrradtour mit einer Weinprobe verbinden die Flusskreuzfahrer ebenfalls in der Wachau. In der Gartenwirtschaft des Stockingerhofes am Rande von Dürnstein schenkt Winzer Peter Stockinger einen guten Tropfen ein. Gemeinsam mit seiner Familie keltert er tieffruchtige Weine aus den Rebsorten Grüner Veltliner, Riesling, Gelber Muskateller, Neuburger, Zweigelt und Blauburger.
Ein lauschiges Plätzchen an der Donau in der Wachau.
Einer der Höhepunkte auf der Donau-Fahrt ist natürlich Wien. Wer möchte, kann die österreichische Metropole mit dem Fahrrad entdecken. Die meisten Urlauber entscheiden sich aber doch, die 1,7 Millionen-Einwohner-Stadt bei einer Stadtrundfahrt mit dem Bus oder auf eigene Faust zu erkunden. Vom Schiffsanleger in Wien-Nussdorf fährt man mit der S-Bahn schnell und bequem in die Innenstadt, wo sich die Flusskreuzfahrer mit Gewürzen vom Naschmarkt eindecken, im Café Sacher ein Stück von der berühmten Torte verdrücken oder im Prater ins Riesenrad steigen.
Egal ob Stadterlebnis oder Tour de Natur am zweitgrößten Strom Europas – die Tage der einwöchigen Radkreuzfahrt vergehen rasend schnell und sind doch zugleich so erholsam wie ein Zwei-Wochen-Urlaub. Vielleicht liegt es daran, dass die Passagiere zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie erleben eine Flussfahrt auf der Donau und gleichzeitig eine sportliche Tour auf dem Donau-Radweg. Doppeltes Erlebnis – doppelter Spaß.
Text & Fotos: Susanne Müller
Weitere Infos: Hier finden Sie Anbieter von Flusskreuzfahrten auf der Donau.