Bei bestem Sommerwetter haben die Gäste schon die Strände von Rügen und Usedom entdeckt und fühlten sich auf dem beschaulichen Hiddensee fast wie im Astrid Lindgren-Film „Ferien auf Saltkrokan“. Nun geht es weiter von Greifswald an der Insel Usedom vorbei nach Stettin, dann weiter auf der Oder und dem Oder-Havel-Kanal nach Berlin. Über 100 Jahre vor der „Saxonia“ war Theodor Fontane in dieser Gegend unterwegs und hielt seine Eindrücke in den Reiseberichten seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ fest. Seine Prophezeiungen machen auch die Reisenden auf der „Saxonia“ neugierig.
Die alte Hansestadt Greifswald begeistert Besucher mit farbenprächtigen Häusern rund um den Marktplatz.
Das Beste werden die Menschen sein…
„Eigentümliche Freuden und Genüsse werden dich begleiten. Du wirst Entdeckungen machen, denn überall, wohin du kommst, wirst du, vom Touristenstandpunkt aus, eintreten wie in jungfräuliches Land. Du wirst Klosterruinen begegnen, von deren Existenz höchstens die nächste Stadt eine leise Kenntnis hatte, du wirst inmitten alter Dorfkirchen, deren zerbröckelter Schindelturm nur auf Elend deutete, große Wandbilder oder in den treppenlosen Grüften reiche Kupfersärge mit Kruzifix und vergoldeten Wappenschildern finden; du wirst Schlachtfelder überschreiten, Wendenkirchhöfe, Heidengräber, von denen die Menschen nichts mehr wissen, und statt der Allerweltsgeschichten, werden Sagen und Legenden und hier und da selbst die Bruchstücke verklungener Lieder zu dir sprechen. Das Beste aber, dem du begegnen wirst, das werden die Menschen sein, vorausgesetzt, dass du dich darauf verstehst, das rechte Wort für den „gemeinen Mann“ zu finden.“
Seeadler und Graugänse
Fontane hatte Recht. Seine Worte gelten sogar noch mehr als ein ganzes Jahrhundert später. Statt sich die Landschaft mühevoll zu erwandern, haben es die Passagiere auf der „Saxonia“ natürlich besser. Sie sitzen gemütlich an Deck, lassen die Landschaft an sich vorbeiziehen, genießen einen Cappuccino und duftende, warme Waffeln mit Rhabarber. Ein leichter Fahrtwind streichelt die Haut, der Motor brummt leise vor sich hin, und die „Saxonia“ gleitet sanft über die Oder. Seeadler, Kraniche, Graugänse und Störche begleiten das Schiff. Im Schilf zwitschert und tiriliert es aus tausend Kehlen. 161 Vogelarten sind im Oder-Naturschutzgebiet zu Hause. Wer hier nicht den Alltagsstress vergisst, ist selber schuld.
Fischreiher und Wildgänse begleiten die „Saxonia“, und die Passagiere erleben eine der letzten großen Naturlandschaften Deutschlands.
Geheimtipp Oderberg
Verborgene Schätze lassen sich auch entdecken. So wie in Oderberg. Der kleine Ort liegt am Rande des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin. Mit nur 28 Einwohnern pro Quadratkilometer ist dieses Gebiet eine der am dünnsten besiedelten Regionen in Deutschland. 55 Kilometer nordöstlich von Berlin an der „Alten Oder“ gelegen, scheint in Oderberg die Zeit ein bisschen stehen geblieben zu sein. Sagen und Legenden umranken den Ort, an dem die „Saxonia“ für ein paar Stunden anlegt. Das Binnenschifffahrtsmuseum liegt nur drei Gehminuten vom Ankerplatz entfernt und beherbergt Schätze, die jeden Schifffahrtsfan tief aufseufzen lassen: Schiffsmodelle und Zubehör, Schleusentechnik und uralte Relikte aus der Binnenschifffahrt. Der Clou ist ein Elbe-Seitenraddampfer. Die Riesa, Baujahr 1897, liegt am Kanal gegenüber dem Museum und kann natürlich auch besichtigt werden.
Einmal in den zweiten Stock, bitte!
Ein paar Kilometer hinter Oderberg trifft die „Saxonia“ auf das Schiffshebewerk Niederfinow. Alle Gäste sitzen fein herausgeputzt beim Kapitänsdinner, und die Abendsonne lässt die Gläser auf den festlich gedeckten Tischen funkeln. Zwischen Vorspeise und Hauptgericht lohnt ein Blick aus dem Fenster. Vor einem kitschig-schönen, orangeroten Sonnenuntergang taucht Deutschlands ältestes, „diensttuendes“ Hebewerk auf. Der Wein im Glas schwappt noch nicht mal, als die „Saxonia“ in nur fünf Minuten mit dem „Schiffsfahrstuhl“ 36 Meter in die Höhe fährt – in nur fünf Minuten. Mit der Ein- und Ausfahrt braucht das Flussschiff 20 Minuten für die Durchfahrt, dann setzte es seinen Weg auf dem Oder-Havel-Kanal fort.
In nur fünf Minuten fährt die Saxonia mit dem „Schiffsfahrstuhl“ in Niederfinow 36 Meter in die Höhe.
Bitte Kopf einziehen!
Der letzte Tag an Bord: Die Zivilisation rückt näher, Berlin lässt grüßen. An Deck ist action angesagt. Die „Saxonia“ muss mehr und mehr Brücken passieren. Manche von ihnen sind so niedrig, dass die Kapitänsbrücke eingefahren und der Sonnensschutz abgebaut wird. „Jetzt bitte den Kopf einziehen!“, wird den Passagieren rechtzeitig geraten. Manchmal müssen die Gäste aber auch kurzfristig unter Deck „abtauchen“ – dann passt gerade noch eine Briefmarke zwischen die „Saxonia“ und die Brücke. „Toll, was? – Das ist echte Millimeterarbeit!“, staunt ein Passagier über die Arbeit der bestens aufeinander eingespielten Crew.
Doch „zusammengewachsen“ sind inzwischen auch die Urlauber. Auf den Spuren von Fontane haben sie eine der letzten großen Naturlandschaften Deutschlands erlebt, Klosterruinen und Domschätze bewundert, Seeadler auf Baumwipfeln entdeckt – und einander kennen gelernt.
Susanne Müller (Text und Fotos)
Infos:
Die „Saxonia“ wurde 2000/2001 in den Niederlanden gebaut und im Juli 01 von der Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek in Hamburg getauft. Das Schiff bietet drei Passagierdecks und Platz für 88 Gäste in 44 Doppelkabinen und für 22 „Mann“ Besatzung. Die äußeren Abstände und technischen Finessen ermöglichen der „Saxonia“ außergewöhnliche Fahrtgebiete zu bereisen. Vor niedrigen Brücken können die Aufbauen auf dem Oberdeck vollständig „eingefahren“ werden.
Die Reise auf den Spuren von Fontane wird auch im Sommer 2016 wieder mehrmals von Phoenix Reisen angeboten. Die zehntägige Flussfahrt beginnt und endet in Potsdam und kostet inklusive Vollpension ab 1899 Euro in der Zweibett-Außenkabine. Infos unter: www.phoenixreisen.com