Dezember 7, 2023

Atlas der geographischen Kuriositäten

Atlas der geographischen Kuriositäten

Dezember 7, 2023

Dem „Atlas der geographischen Kuriositäten“ aus dem Jonglez Verlag liegt eine sehr hübsche Idee des Autors zugrunde: Vitali Vitaliev hat interessante Geschichten über Staaten, die als Enklaven in anderen Staaten liegen oder mal für einen Tag anderen Staaten angehörten, zusammengestellt und Kuriositäten wie die längste Straße der Welt, bizarre Grenzen, die kleinste bebaute Insel der Welt oder die einzige Gemeinde der Erde, die unter einem einzigen Dach lebt, hinzugefügt. Daraus sind mehr als 60 kleine Stories entstanden, zu Lage, Geschichte und Besonderheiten. Es geht dabei vor allem um winzige Flecken, die aufgrund teils fraglicher politischer Machtverhältnisse willkürliche Zugehörigkeiten erfahren und dadurch auch oft willkürlichen Gesetzen unterworfen sind.

Mit Preisen überhäuft

Der in der Ukraine geborene Vitaliev arbeitete lange für die Moskauer Satirezeitschrift „Krokodil“, war zwei Mal Journalist des Jahres, Gewinner des Petrov-Preises und fünf Mal Satire-Preisträger, bevor er mit seiner Familie 1990 nach London flüchtete. Vitaliev arbeitet u.a. für den Punch, The Guardian, The Spectator, The European, The Herald, und den Daily Telegraph. Auch im Westen wurde er mit Preisen überhäuft, darunter dem australischen Royal Melbourne Show Journalism Award, dem RTS Award in England und dem Nieman Fellowship in Harvard.

62 geographische Kuriositäten

Insgesamt 62 geographische Kuriositäten werden vorgestellt, zu jeder Geschichte findet sich eine Landkarte, so dass der Leser, die Lage des beschriebenen Ortes oder der Region nachvollziehen kann. Dazu sind ab und an Fotos eingestreut. Die Definition von Exklaven, Enklaven, Halbenklaven, Periklaven und Gegenenklaven erklärt der Autor gleich zu Beginn des Buches. Teils finden sich vor allem aus den Nachrichten bekannte Gebiete wie Nagorno-Karabach, Europas meistumkämpfte Enklave zwischen Armenien und Aserbaidschan, oder Transnistrien, Süd-Ossetien, und Abchasien, aber auch das Kleinwalsertal, österreichische Halb-Enklave ohne Straßenverbindung mit dem Heimatland oder Büsingen, deutsche Enklave in der Schweiz, wo die Grenze quer durch den Biergarten einer Kneipe verläuft, mit Biertischen in der Schweiz und der Theke in Deutschland.

Absolute Raritäten

Vor allem aber werden den meisten Lesern wohl unbekannte Kuriositäten vorgestellt wie Saatse, wo man Russland ohne Visum besuchen kann oder die Ernst-Thälmann-Insel, einziger Überseebesitz der DDR, die Fidel Castro bei seinem Staatsbesuch in Ostberlin 1972 als Geschenk mitbrachte. Kaum jemand dürfte wohl auch Baarle kennen, ein Dorf, in dem man in den Niederlanden durch die Vordertür ins Haus treten und durch die Hintertür in Belgien wieder herauskommen kann. Absolute Raritäten selbst unter all diesen besonderen Plätze sind das Londoner Claridge Hotel und die Fasaneninsel zwischen Frankreich und Spanien: Die Suite 212 im Claridge Hotel wurde für einen einzigen Tag, am 17. Juli 1945, auf Anordnung von Winston Churchill zum jugoslawischen Territorium erklärt. Denn dort brachte die im Exil lebende jugoslawische Königin Alexandra an diesem Tag den Thronfolger Alexander II zur Welt und der sollte auf dem Boden seines eigenen Landes geboren werden. Die 3.000 m² große Fasaneninsel liegt inmitten des Grenzflusses Bidasoa. Im 1856 geschlossenen Vertrag von Bayonne wurde festgelegt, dass das Eiland von Frankreich und Spanien gemeinsam regiert werden und die Souveränität alle sechs Monate gewechselt werden soll. So regiert Spanien vom 1. Februar bis zum 31. Juli, danach übernehmen die Franzosen die Hoheit für die nächsten sechs Monate.

Ein außerordentlich interessantes Buch mit einem ungewöhnlichen Thema, hervorragend recherchiert. Ideal zum Stöbern und Staunen.

„Atlas der geographischen Kuriositäten“ von Vitali Vitaliev. Erschienen im Jonglez Verlag.

Gebunden, 224 Seiten, 25 Euro.

Weitere Informationen unter https://jonglezpublishing.com/de/produkt/atlas-des-curiosites-geographiques/

Ingo Thiel

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