September 19, 2024

Nicki D’Souza: Expeditionsleiterin mit Esprit

September 19, 2024

Nicki D’Souza streicht noch einmal über den glatten Stoff ihres Abendkleides, strafft die Schultern und lächelt ins Publikum. „Guten Abend, Ladies and Gentlemen! Ich begrüße Sie zu Ihrer Expeditionskreuzfahrt mit der SH Vega …“ Routiniert, mit einem Lächeln im Gesicht, führt die Leiterin des Expeditionsteams durch den ersten Abend an Bord und gibt den Gästen einen kleinen Einblick, was sie in den kommenden Tagen erwartet.

Ein paar Tage später: Eingemummelt mit Parka, Mütze und warmen Handschuhen, das unvermeidliche Funkgerät in der Hand, steht Nicki D’Souza am Ufer des Nordatlantiks und nimmt die Kreuzfahrer in Empfang, die mit Zodiacs an diesen ‚lost place‘ an der grönländischen Küste kommen. In ihrem Rücken: eine verlassene Minenstadt, eine „Ghosttown“, an der Stephen King garantiert Gefallen finden würde. „Bleibt bitte auf den Wegen. Meine Kollegen sind hier überall unterwegs und stehen für eure Fragen zur Verfügung.“ Nicki deutet mit der Hand in Richtung der leerstehenden Häuser und des dahinter liegenden Friedhofs. „Ihr habt genügend Zeit, um euch alles ganz in Ruhe anzuschauen.“

Nicki D'Souza
Hier liegt die “SH Vega” in Grönland auf Reede.

 

Was für ein cooler Job! Seit zwei Jahren ist die gebürtige Bayerin, die eigentlich Nicole mit Vornamen heißt, von allen aber nur Nicki gerufen wird, Expeditionsleiterin beim britischen Unternehmen Swan Hellenic. „Die Schiffe sind wunderschön und die Routen fantastisch“, sagt Nicki D’Sousa ­– und sie kennt sich aus. Nahezu keine Reederei, mit der sie noch nicht unterwegs war. Und weiße Flecken auf der Landkarte gibt es für die 51-Jährige auch nicht mehr so furchtbar viele. Die selbstständige Expeditionsfrau arbeitete schon für Hapag-Lloyd Cruises, NCL, Oceania Cruises, Regent Seven Seas, Star Line Cruises, Orient Lines, Cunard, Silversea, Ponant und Seabourn. Zu Hause ist sie inzwischen im indischen Goa. Von dort stammt ihr Mann Alex, den sie 2001 während ihres Jobs bei NCL kennenlernte und der heute ebenfalls im Expeditionsteam auf der „SH Vega“ arbeitet.

Nicki D’Souza: Reisevirus im Blut

„Aber natürlich schaue ich zwischendurch auch immer mal bei meinen Eltern in Bayern vorbei“, erzählt Nicki. Die lieben das Reisen fast so sehr wie ihre Tochter und vermutlich schwappte die Abenteuerlust schon in Kindertagen auf Nicki über. „Bei uns stand immer ein kleiner, gepackter Koffer im Haus, denn meine Mutter arbeitete in München bei der Lufthansa. Und da gab es damals hin und wieder die Möglichkeit, einen Jumpseat im Flieger zu ergattern und sehr kurzfristig irgendwohin zu fliegen.“

Dass sie in ihrem Leben mal „etwas mit Reisen“ machen wollte, stand für die Bayerin also früh fest. Nach dem Abi studierte sie Englisch und Französisch und überlegte, Dolmetscherin zu werden. „Letztendlich wollte ich aber keine Backrezepte übersetzen und bewarb mich beim Club Med in Tunesien an der Rezeption. Dort sah ich eine Broschüre über die Segelschiffe von Club Med und war sofort begeistert. Ich schrieb verschiedene Reedereien an und plötzlich kam ein Anruf. Ob ich am übernächsten Tag auf dem Schiff anfangen könne …. auf den Osterinseln!“

Karrierestart auf Expeditionsschiff

Nicki lacht und schüttelt den Kopf. „Ich hatte keinen Vertrag, nur die Stimme eines Fremden am Telefon. Aber egal, ich war 24 und optimistisch, setzte mich in den Zug, fuhr nach Frankfurt und dort war tatsächlich ein Ticket für mich hinterlegt. So trat ich meinen ersten Job auf einem Schiff an. Es war gleich ein Expeditionsschiff, die ‚World Discoverer‘ und ich war Assistent Expedition Leader.“ Nachdenklich fährt sie sich durchs Haar und zuckt dann mit den Schultern. „Heute liegt das Schiff auf Grund vor den Solomon Inseln. Es war im April 2000 auf ein Riff aufgelaufen. Aber da war ich schon nicht mehr an Bord.“

(Anmerkung der Redaktion: In ihrer 25 Jahre andauernden Laufbahn avancierte die „World Discoverer“ zu einem Vorreiter der Expeditionskreuzfahrt. Sie brachte Passagiere an Orte, die zuvor noch kein Kreuzfahrtschiff angelaufen hatte. Unter anderem bewältigte die „World Discoverer“ 1985 als erstes Passagierschiff die Nordwestpassage. Nachdem sie auf das zur damaligen Zeit noch unkartierte Mid-Reef aufgelaufen war, scheiterten die Bergungsversuche wegen des auf den Salomonen herrschenden Bürgerkriegs. Inzwischen ist das von den Bewohnern der Insel geplünderte Wrack der „World Discoverer“ ein beliebtes Ziel für Touristen.)

Foto: Philjones828, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons

  

Mit der „World Discoverer“ fuhr Nicki d’Sousa durch den Südpazifik und durchs Eismeer. Sie sah die Welt in all ihrer Vielfalt. „Einmal – ganz am Anfang meiner Karriere ­– sagte ein Kollege zu mir ‚Nicki, du musst den Absprung finden. Arbeite nicht zu lange an Bord.“ Sie lächelt breit. „Tja, den Absprung habe ich wohl nicht geschafft. Aber warum auch, wenn man doch etwas tut, das einem Spaß macht? Das ist es doch, was jeder eigentlich will …“

Auch nach so vielen Jahren ist die Expeditionsleiterin begeistert von ihrem Job – und weiterhin neugierig auf die Welt. Ihre Lieblingsdestination ist der Indische Ozean. Die Seychellen, Madagaskar – grüner Dschungel, weiße Strände und warmes Wasser. Auf Madagaskar ließ sie sich schon einmal vom Schiff absetzen und verbrachte ihren Urlaub auf der Insel. Zwei Wochen allein mit Rucksack und Zelt. Luxus adé, dafür das pralle  Naturerleben.

Nicki D'Souza
Im Kreise ihrer Kollegen: (v.l.n.r.) Dalibor Smajic, Nicki D’Souza, Rex Nelson, Ben Giunchi, Anya Astafurova, Henri Leinfelder und Gustav Jonsson Länne.

 

Die Schönheit der Natur – sie legt sie auch den Gästen der „SH Vega“ in jedem Vortrag voller Enthusiasmus ans Herz. „Das Schiff ist nicht zu groß, die Gästeschar überschaubar. Hier machen wir alle die gleichen Erfahrungen, sehen die Wale aus dem Meer auftauchen. Stehen nachts auf und erfreuen uns an den Polarlichtern. Staunen über die Magie der Eisberge. Und das ist doch der Spirit der Expedition – dass man zusammen etwas Unvergleichliches erlebt.“

Susanne Müller (Text & Fotos) 

 

Tipp: Die große Reportage über die Expeditionskreuzfahrt mit der „SH Vega“ in die Arktis lesen Sie im Kreuzfahrtmagazin WELCOME ABOARD 2025 (ab 6. November erhältlich).

 

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