Qasigiannguit liegt an der Diskobucht. Im Jahr 2015 wurden dort 1.165 Einwohner gezählt. Der grönländische Name der Siedlung bedeutet „die kleinen gefleckten Robben“. Die Siedlung wurde zunächst an anderer Stelle an der Bryghus-Bucht am 25. Juni 1734 vom dänischen Kaufmann Jacob Severin als Handelskolonie gegründet und nach König Christian VI. von Dänemark benannt. Severin hatte das vom König bis 1749 verliehene Monopol über den Grönland-Handel inne. 1739 setzten die Dänen bei Qasigiannguit das Handelsmonopol gewaltsam gegen die auch am Grönland-Handel, insbesondere am Walfang, interessierten Holländer durch. 1763 wurde die Niederlassung an den heutigen, windgeschützten gelegenen Platz umgesiedelt. Das alles sagt Wikipedia über den Ort.
Ein besonderes Programm gibt es in Qasigiannguit für Kreuzfahrt-Touristen zumeist nicht. Schon bei der kurzen Überfahrt vom auf Reede liegenden Schiff staunt man über all die bunten Häuser, die sich an einen Hügel schmiegen – das sieht sehr beeindruckend aus. Direkt nach dem Verlassen der Boote stehen die Reisenden vor einem Museum, das in einem hübschen roten Holzhaus mit einem Elchgeweih vor der Eingangstür seine Zentrale hat. Dazu gehören aber auch noch weitere Häuser, die sich rund um einen kleinen Platz scharen. Alle Gebäude stammen aus der Kolonialzeit, wobei das Haus des Missionars Paul Egede wohl eines der ältesten Holzhäuser des Landes ist. Zu sehen sind im Museum diverse Werkzeuge und Alltagsgegenstände der Saqqaq-Kultur aus den Jahren 2.400 bis 800 vor unserer Zeitrechnung. Es gibt erstaunlich gut erhaltene Messer, Schaber, Pfeilspitzen, Harpunen und Holzbecher.
Spaziergang zwischen bunten Häusern
Nach dem Museums-Besuch bietet sich ein Spaziergang durch den übersichtlich großen Ort an, wobei an der Hauptstraße noch einmal viele bunte Häuser leuchten. Vor praktisch jedem Haus steht ein Motor- oder Hundeschlitten, der schon auf den winterlichen Einsatz wartet.
Am Ende des Weges stößt man auf eine wunderschöne Bucht – bei gutem Wetter kann man hier auf einer Bank Platz nehmen und einfach nur die Ansicht genießen. Auf dem Rückweg bietet es sich an, den höchsten Hügel des Ortes zu besteigen, denn von hier aus hat man einen tollen Blick auf das Kreuzfahrtschiff.
Qasigiannguit verfügt auch über einen Supermarkt, eine kleine Poststelle, eine Polizeistation und ein Krankenhaus sowie mehrere kleinere Hotels, Restaurants und Cafés. Interessant ist auch die moderne Kirche des Orts, die mit typischen Inuit-Motiven geschmückt ist. So sind am Altar Darstellungen von Eisbären, Walen und Kajaks zu sehen. Und dann geht es per Tender auch schon aufs Kreuzfahrtschiff zurück.
Sensationen also darf niemand erwarten, der Qasigiannguit besucht. Aber: Hier ist eine wirklich typische grönländische Siedlung zu sehen, wobei auffällt, dass beim Spaziergang kaum ein Einwohner des Orts zu sehen ist – angesichts der Touristen, die innerhalb kürzester Zeit über ihre Stadt „herfallen“, versteckten sich die Inuit wohl lieber in ihren Häusern. Immerhin sind ein paar spielende Kinder unterwegs. Sie planschen in Pfützen herum und lassen ihre Spielzeugfiguren darin baden. Auch ein Fußball liegt fast immer bereit.
Interessant ist dieser Ort nur für Menschen, die ihn mit wirklich offenen Augen durchqueren. Für andere Besucher mag Qasigiannguit nach wenigen Minuten abgehakt sein, denn auch an die bunten Häuser gewöhnt man sich schnell. Wer allerdings genau hinschaut, der entdeckt Interessantes wie zum Trocknen aufgehängtes Fleisch. Und vor allem auch Blumen. Kaum zu glauben, dass es so weit im Norden eine so abwechslungsreiche Flora gibt. Die Bucht von Qasigiannguit ist erst von der Landseite her richtig zu bewundern. Wenn in der dann auch noch ein Schiff liegt, dann sieht das einfach nur wunderschön aus, zumal auch kleinere Eisberge im Wasser treiben.
Frühgeschichte musste umgeschrieben werden
Haupt-Attraktion des Ortes aber ist das in der Nähe einer großen Krabbenfabrik gelegene Museum, das nicht nur äußerlich sehenswert ist. Vier Kanonen erinnern daran, dass 1739 die Holländer aus der Region vertrieben worden waren, auf Rache schworen und ankündigten, den Ort zerstören zu wollen. Möglicherweise haben die daraufhin aufgestellten Kanonen dieses Unterfangen verhindert. Am beeindrucktesten aber sind die rund 4.000 Jahre alten Exponate im Museum, die deutlich aufzeigen, dass die Menschen der Saqqaq-Kultur Fähigkeiten hatten, die eigentlich erst späteren Kulturen zugeschrieben werden. So wurden auch Reste von Kajaks gefunden, die aus dieser Zeit eigentlich gar nicht bekannt waren, was dafür sorgte, dass die Frühgeschichte umgeschrieben werden musste.
Qasigiannguit ist also durchaus einen Besuch wert, auch wenn hier nicht wirklich Sensationelles zu sehen ist. Als Tourist fühlt man sich hier endgültig in Grönland angekommen.
Dirk Kröger (Text & Fotos)